5. Juni 2019

Wie ist das Leben mit Kind? – 15, 18, 21 Monate. Das Ende des großen Schreiens

Der vielleicht größte Meilenstein in unserem Leben mit Kind wurde erreicht: das Ende der Untröstlichkeit. Was dann folgte, blieb den Quartalssprüngen treu und wurde von da an nicht nur leichter, sondern auch so viel schöner. Drum verdient diese Zeit ihr Update. Willkommen! Heute wird es emotional.

Keine klassische bezahlte Werbung, wohl aber Namensnennungen /Empfehlungen

15 Monate. Diese Zeit wird mir für immer als Schallmauer im Gedächtnis bleiben. Dahinter lag wirklich ein neues Leben. Eines, in das wir endlich ankommen konnten und schauen konnte, wer wir wirklich sein wollten.

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14 Kommentare

  1. Liebe Heike,

    vielen, vielen Dank für den Bericht und fürs Teilen! Das ist grade sehr heilsam für mich. Nicht, weil ich selbst ein Schreibaby hätte, sondern weil ich selbst eins war. Deine Perspektive hilft mir, vieles besser zu verstehen.
    Ich bin auch froh, daß Du weiterhin auf dem Blog schreibst. Auf Instagram kann ich seit einiger Zeit nicht mehr mitlesen, nur noch die Fotos sehen (ich hab selber keinen Account und weiß auch grad nicht, ob ich einen möchte),

    Ganz liebe Grüße,
    Jessica

    1. Liebe Jessica,
      oh das mit Insta ist natürlich blöd… da weiß ich auch grad keinen Rat.
      Für mich sehr interessent ist, dass du von dir weißt, dass du selbst ein Schreibaby warst. Ich kenne sonst niemanden, der das von sich weiß. Um so mehr freut es mich, dass mein Artikel heilsam für dich ist, denn das ist denke ich sehr wichtig. Nach meinen Recherchen weiß ich, dass eine der größten Stolpersteine“ für Eltern von Schreibabys /Highneed Kindern / gefühösstarken Kindern darin liegt, dass die Kinder es in ihre Identität einbauen (durch das, was die Eltern kommunizieren), dass sie anstrengend waren, zur Last gefallen sind, dass sie „zu viel“ waren. Viele laufen mit solchen Sätzem im Kof herum wie: „Also wenn deine große Schwester schon so gewesen wäre wie du, dann wäre sie Einzelkind geblieben.“ Oder auch „Noch so eins wie dich hätte uns in den Wahnsinn getrieben.“ Das sind sehr schreckliche Aussagen und sie sind nicht wahr. Sie spiegeln einen Teil der SITUATION wieder, aber nicht der Identität des Kindes. Das Kind ist nie verantwortlich dafür, dass seine Eltern sich für oder gegen ein weiteres Kind entscheiden, dafür zu arbeiten oder oder nicht. Für die Eltern ist das Kind und die Energie, die für es aufgewendet wird natürlich sehr präsent und deshlab liegt es nahe da eine Kausalität draus zu machen. Es korreliert aber lediglich. Ja, Eltern von Schreikindern haben im Schnitt erst später ein weiteres Kind und haben im Schnitt auch weniger Kinder in der Familie als wenn man ein easy Baby bekommen hat. Das ist aber erst mal sehr verantwortungsbewusst da die eigenen Grenzen anzuerkennen. Verantwortung ist etwas ganz anderes als Schuld. Das Kind hat keine Schuld, die Eltern ahben auch keine Schuld. Es ist nicht am Kind Verantwortung zu übernehmen für die Entscheidungen der Eltern, sondern es ist an den Eltern diese Verantwortung zu tragen.
      Ich möchte, dass Merle weiß, das sie genau richtig ist, so wie sie ist. Ich möchte, das sie weiß, dass ich meine beruflichen Träume auf Eis gelegt habe, nicht, weil sie Schuld daran gewesen wäre, dass ich nicht weoter arbeiten konnte, sondern weil ich für mich entschieden habe, dass mir ihr Wohlergehen, ihr Vertrauen ein höherer Wert ist, als diese Träume. Dass ich Selbstverwirklivhung aufschieben und verlangsamen kann, ich aber sie sehe, so wie sie just in dem Moment ist. Und ich möchte ihr auch vorleben und mitgeben, wie wichtig es ist auf die eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu achten. Dass es vorkommt, dass man mal nicht mehr kann. Dass Hilfe holen okay ist. DAs Dinge nicht tun okay ist.
      Ich hoffe, dass mir das gelingt.
      Alles Liebe, Heike

  2. Dein Text berührt mich ganz tief im inneren meines Herzens. Ich habe beim lesen einige Tränen vergossen. Ich kann jeden Satz nachfühlen und finde dich so unfassbar groß und stark und obwohl wir uns nicht kennen, fühle ich mich mit dir verbunden. Unsere Maus ist zwar „erst“ sieben Monate alt aber ich freue mich über jeden Tag den sie älter wird und einen Schritt weiter in Richtung Eigenständigkeit macht. Niemals hätte ich es für möglich gehalten dass es uns so fordern würde Eltern zu sein. Ich könnte ein Buch darüber schreiben. Es gab Zeiten, da wollte ich alles hinschmeißen und auswandern, Zeiten da wollte ich mich einweisen lassen. Und es gab Menschen die null Verständnis dafür hatten – leider darunter auch Fachleute. Und dann gab es Menschen, die haben immer ein offenes Ohr gehabt und die schlimmsten Krisen mit uns durchgestanden. Daraus sind so schöne intensive neue Beziehungen entstanden.
    Während ich deine Zeilen lese und diese hier schreibe, liege ich auch eng umschlungen mit meinem Baby. Einfach weil sie es braucht. Und ich es kann.
    Danke für deinen wundervollen Text, deine Offenheit und die ehrlichen Worte!!
    Liebe Grüße

    1. Liebe Anja,
      ach ja… auswandern oder einweisen lassen… ich kenne das Gefühl sehr gut und ab und zu war ich doch erschüttert darüber, wie ernst ich diese Gedanken tatsächlich genommen habe, weil es einfach so erschöpfend war. Da wurde beinahe jede Fluchtmöglichkeit in Erwägung gezogen. Das mit dem Verständnis ist so schwierig gerade in diesem Bereich – und doch wäre es so wichtig. Besonders weil wir alle unsere eigenen Kindheiten mit uns schleppen und das meiste davon unterbewusst liegt, gobt es bei der Thematik richtig große Verständigungs- und damit auch Verständnishürden. Was da jemand sendet kann ganz anders beim Gegenüber ankommen. Da gibt es große blinde Flecken und mindestens genauso große Schutzmauern und dabei vor allem unsichtbare. Ich habe selbst an einigen Beziehungen deutlich gemerkt, wie es geknirscht hat und wie die Rechtfertigung hochkam und teils habe auch ich mich immer und immer wieder gerechtfertigt, weil auch mir Verständnis fehlte. „Das Kind in dir muss Heimat finden“ hab ich hier ja letztens rezensiert, das fand ich sehr augenöffnend dazu. Seit dem kann ich wesentlich friedlicher auf Menschen blicken, die uns mit Unverständnis begegnen und ich habe auch für mich nicht mehr den Anspruch sofort alles verstehen zu müssen.
      Alles Liebe für dich und deine Tochter! Erkenne dich an für das, was du leistest. Es ist viel und es ist groß und es ist für sie und dich so wertvoll!
      Heike

  3. Liebe Heike,
    obwohl ich erst 18 und von dem Thema eigenes Kind ganz weit weg bin, lese ich alle deine Blogbeiträge sehr gerne. Gerade die zum Thema Merle. Einfach weil du mit so viel Liebe schreibst, dass ich feuchte Augen kriege. Danke für deine ehrlichen Worte.

    Ganz Liebe Grüße und ich wünsche dir weiterhin viel Kraft da wo du sie brauchst!

    1. Vielen lieben Dank! Das ist immer ein bganz besonderes Kompliment, wenn ich höre, dass ich sogar Menschen erreiche, die thematisch eigentlich ganz woanders sind. Es freut mich sehr, dass dir meine Artikel so viel geben! Alles Liebe, Heike

  4. Liebe Heike,

    nachdem ich längere Zeit nur sporadisch bei dir reingeschaut habe (und es dann irgendwie mit der Zeit immer schwerer wurde, plötzlich wieder so ansatzlos reinzuplatzen) , muss ich dir jetzt doch einen kleinen Kommentar da lassen.
    Ich bin wirklich froh zu lesen, dass es langsam bei euch besser läuft. Zeitweilig habe ich mir gedacht, meine Güte, ich würde dir jetzt gerne was Hilfreiches schreiben – aber ich konnte aus meiner Lebenswirklichkeit (die so ganz anders geworden ist als deine) einfach so gar nichts beitragen, ohne dass es sich platt oder pseudoschlau angehört hätte. Im Nachhinein tut mir das wirklich leid.
    Es ist also schön zu sehen, dass es deiner kleinen Familie gut geht und ihr euren Weg findet.
    Wünsche euch weiterhin alles Gute!!!

    Ganz liebe Grüße
    Leia

    1. Ach wie schön von dir zu lesen! Ich glaube, ich weiß, was du meinst. So ging es vielen und geht es glaube ich immer noch. Es war auch einfach eine Ausnahmesituation, die schwer greifbar ist ohne selbst drin zu stecken. Dir muss also nichts Leid tun. 🙂
      Aber ich freue mich wie gesagt sehr, dich hier zu lesen.
      Alles Liebe! Heike

  5. Liebe Heike,

    der Antwortbutton will grade nicht funktionieren, dann antworte ich eben hier unten mit einem neuen Kommentar.

    Das Wissen (daß ich ein Schreibaby war) liegt wohl daran, daß ich ständig zu hören bekam bzgl. des Schreiens: „Du hast mich keine Nacht schlafen lassen“. „Du hast zwei Jahre lang jede Nacht geschrien“….
    Auf meinen Wunsch nach Geschwistern hieß es, daß ich keine Geschwister habe und bekommen werde, weil ich alleine schon viel zuviel war usw.

    Und ja, das sitzt tief – trotz Reflektieren und meine Themen betrachten und Gewahrsein und allem – dieses „zuviel, zu anstrengend, zu empfindlich, zu dies und zu das….“

    Für mich ist es so heilsam zu lesen, wie Du damit umgehst.
    Daß es eben doch eine andere Art gibt, das Kind wahrzunehmen und die gesamte Situation.
    Es ist mir bewußt, daß das für meine Mutter eine sehr zermürbende Zeit war.
    Aber es tut gut zu spüren und indirekt auch mitzuerleben, daß es dazu auch andere Perspektiven gibt, Verantwortung übernehmen ohne Schuldzuweisung.
    Mich entlastet das. Mir wird erst so richtig bewußt, was vorher hauptsächlich im Unbewußten gewirkt hat: ich hab mich so schuldig gefühlt!
    Und das brauche ich nicht.

    Daß ich OK bin, so wie ich bin, das ist noch nicht ganz tief innen angekommen, aber ich bin auf dem Weg dahin.
    Bei Dir mitzulesen ist einer der Puzzlesteine, die mir dabei helfen, mein Bild abzurunden.

    Und ja, ich glaube fest daran, daß Dir das gelingt, was Du Merle vermitteln möchtest.
    Es leuchtet aus dem, was Du schreibst, es wird also auch aus dem leuchten, wie Du für Merle spürbar und erfahrbar bist.

    Alles Liebe von Jessica

    1. Ooooh jetzt hab ich Tränen in den Augen! ich danke dir!
      Schuld ist ein ganz schweres, dunkles Gefühl. Ich wünsche dir von Herzen, dassdu damit deinen Frieden machen kannst. Was die Geschwisterfrage angeht, finde ich das auch echt schwer. Ich wünsche mir für Merle ein Geschwisterkind, aber wir Eltern für uns, wir trauen uns das nicht zu. Wichtig in der Kommunikation jetzt und später (und dabei vor allem auch an uns selbst!) ist, dass wir erknnen, dass das aber eher an der Situation insgesamt liegt, ob wir uns das zutrauen oder nicht und nicht an Merle. Menschen neigen dazu das verantwortlich zu machen, was als letztes dazu kam (das Kind). Aber dass auch vorher schon die Distanz zu den Großeltern groß war, auch vorher schon der Job so viel kraft gekostet hat, das geht dann etwas unter. Ich kann und will nicht an meinem Kind schrauben. Also bereite ich eine Umgebung vor, die es uns wahlweise möglich macht, leichter und glücklicher mit ihr als Einzelkind zu leben oder eben auch den Sprung zu wagen, ein zweites Kind in unser Leben einzuladen. Der Weg ist derselbe, somit gibt es nur Gewinner.
      Alles Liebe, Heike

  6. Liebe Heike

    Ich weiß nicht so ganz was ich schreiben soll. Ich habe lange überlegt, mir auch die Blogbeiträge von 2017 und 2018 noch einmal zu Gemüte geführt, desöfteren… und auch viele der Kommentare. Und war ehrlich gesagt in den vergangenen Monaten etwas verwirrt. Nun habe ich auch einige der Stellen in den Blogbeiträgen entdeckt die Du editiert hast und damit bin ich etwas weniger verwirrt.
    Zuerst wollte ich lieber nicht schreiben. Nun ist ausschlaggebend der Doppelinstagrambeitrag von gestern.

    Ich kann nur sagen es tut mir leid. Ich hatte zwar Verständnis für Teilaspekte die mir klar waren, habe es einfach nicht verstanden, wie die Gesamtsituation denn nun wirklich ist. Die Andeutungen waren für mich wohl zu subtil, das Abschwächen von „Herausforderungen“ und „den Fokus auf das Gute legen“ hat mich überzeugt und ich habe dich beim Wort genommen wenn du geschrieben hast „Merle ist KEIN Schreibaby“, „Merle ist KEIN High-Need-Baby, aber manchmal ziemlich nah dran“. Ich dachte nach all deinen gründlichen Recherchen und dem Austausch ist das wohl so beim Wort zu nehmen…
    Das soll nun keineswegs als Vorwurf oder Kritik gemeint sein, du hast genau immer das geschrieben was du zum entsprechenden Zeitpunkt für richtig gehalten hast und das ist auch gut so gewesen, aber gewisse Aspekte die vielleicht sehr wichtig für mein Verständnis gewesen wären kamen eben erst später bei mir an.
    Einige der Kommentare, sowohl von mir als auch von anderen Lesern, die eigentlich freundlich, motivierend, bestärkend, unterstützend, bewundernd und empathisch gemeint waren sind im Nachhinein wohl mehr als unzureichend gewesen und müssen Dir an manchen Tagen mehr wie hohle Phrasen oder gar blanker Hohn vorgekommen sein. Und das tut mir einfach leid.
    Ich dachte immer unsere Töchter ähneln sich in vielen Punkten sehr, aber bestimmte Erfahrungen die wir gemacht haben könnten unterschiedlicher nicht sein. Und obwohl beide Mädchen klasse sind und genauso wie sie sein sollen: das ist ungerecht und das darf man auch ruhig mal so sagen. Um ein Beispiel zu meiner Entschuldigung zu nennen: Ich hatte ja keine Ahnung von der Art des Schreiens. Natürlich kennen wir auch Abende an denen stundenlang gequengelt, geweint, geschriehen und ins Bett gebracht wurde, aber es ist einfach etwas völlig anderes ob ein Kind für mich noch erreichbar ist. Ein Kind das knatschig ist aber immer wieder beruhigt werden kann nur um einige Minuten später aus einem anderen Grund loszubrüllen ist nun einmal etwas ganz anderes als ein Kind das in einer Brüll-Wein-Schreiblase gefangen ist die man einfach beim besten Willen nicht durchdringen kann. Ich denke jedes Kind kann einmal in solch einer Schreiblase eingeschlossen sein. Das passiert eben. Es ist höllisch wie sehr man sich in dieser Zeit hilflos und unzureichend fühlt. Ich bin sehr dankbar dass wir das zum Glück nur selten erleben mussten und wie sehr das unsere Kräfte geschont hat. Dass ihr das offenbar fast täglich erlebt und so bravourös gemeistert habt, in maximaler Lautstärke und Hochtonquietschlage lag jenseits meiner Vorstellung obwohl ich schon mehrere Schreikinder in unmittelbarem Kontakt kenne, und dafür kann man Euch nur bewundern und Euch allen Dreien zu Eurer Stärke gratulieren.

    Ich bin froh dass Euer Abend dann gestern noch um 21:35 Uhr zu Ende ging, ihr noch ein bisschen Feierabend hattet und du auch noch so viel positive Unterstützung auf deine Posts hin erfahren hast. Ihr habt mir so leid getan. Ich muss gestehen wir hatten gestern einen längeren aber im Gegensatz zu Euch richtig schönen Abend, wir haben gestern die Einschlafbegleitung abgebrochen, sind um 20:30 Uhr noch einmal zusammen ins kühle Wasser gegangen und um 21:40 Uhr habe ich der 27 Monate alten Maus noch eine Suppe gekocht. Friedlich eingeschlafen ist sie dann um 22:30 Uhr. Ich bin froh dass wir nun an einem Punkt sind an dem wir so klar kommunizieren können (8-Wort-Sätze, boah geht das schnell, da seid ihr ja bestimmt auch bals, so wie ich Merles Tempo kenne) dass aus Frust immer häufiger go-with-the-flow wird. Ich weiß dass uns auch wieder Horrorabende erwarten. Natürlich frage ich manchmal ob es ein Fehler von mir ist… ob ich mit solchen Aktionen die feine Grenze zwischen bedürfnisorientiert und laissez-faire überschreite und damit einen großen Schaden anrichte … oder ob es eben einfach dem Bedürfnisprofil meiner Tochter entspricht. Oder ob ich einfach nur gestern dieses verdammt unfaire Glück hatte das dieses ganze Elternsein so ungerecht macht und meine Tochter einfach eine easypeasy-Phase hatte die Merle leider nicht vergönnt war…

    Tut mir leid das ist jetzt wieder alles viel zu umfangreich geworden und ich hoffe ich rühre damit nicht auf unangenehme Weise in der Wunde.
    So oder so, es ist einfach ungerecht manchmal, aber ich bin froh und dankbar dass du es trotzdem teilst. Auch wenn ich es nicht gleich in vollem Ausmaß kapiere, die Liebe, Wertschätzung und Hingabe ist bei Euch immer zu spüren und es ist einfach inspirierend. Ihr seid toll. Ich wünsche Euch das Beste. Liebe Grüße

    1. Ja, die Sache mit der Wahrnehmung. Da ist schon viel Wahres drin. Ich kannte kein Schreibaby vor Merle. Also dachte ich, das sei eben normal, dass sie so schreit. Und so weiter… Wir hatten vorgestern wieder so einen Rückschritttag, danach bin ich auch immer noch den Folgetag wie verkatert. Aber es ist, wie es ist. Ich arbeite an meinen Triggern, Benedict und ich sind ein Team und Merle reift jeden Tag. Sie macht das ganz wunderbar. Und wir auch. Ganz toll ist, dass sie z.B. jetzt auch schon versteht, wenn ich mich entschuldige und neu einordne, wenn ich mich mal nicht mehr unter Kontrolle habe und sie angeranzt habe. Dann sage ich sowas wie „Das tut mir Leid. Das war zu laut und nicht nett. Ich bin sehr angestrengt, da passiert mir das mal. Komm, wir atmen mal durch. Dann kommt Mama wieder runter und wir versuchen es noch ma.“ „Jo!“ sagt sie dann und nickt. Und atmet mit durch. Das ist so genial, dass ich ihr eben sowas wie bewusstes Atmen und den Positivfokus jetzt beibringen kann. Im Vorleben. Dadurch kann ich auch nachsichtiger mit mir selbst sein, wenn ich an die Decke gehe. Weil sie sieht: Ja, das kommt vor. Ja, das ist nicht schön. Aber es gibt Möglichkeiten das zu unterbrechen und zu shiften. Und zwar bessere Möglichkeiten als Zwang und Kontaktabbruch. Da wachsen wir gemeinsam.
      Alles alles Liebe, Heike

  7. Liebe Heike

    Dein Instagrampost von gestern hat mich sehr berührt und ich muss ganz ehrlich sagen: ich fand ihn bisher einen der besten, ehrlichsten und sympathischsten überhaupt. Da hast Du etwas ganz kostbares geteilt.

    Natürlich kann Dir eigentlich niemand irgendwelche schlauen Ratschläge geben. Keiner kann die Situation eines anderen wirklich einschätzen ehe er nicht in seinen Schuhen gesteckt hat… und dann auch nur mit Annäherung. Also alles was ich schreibe unter dem Vorbehalt eines möglichen Eindruckfehlers und dass ich vielleicht nicht den vollen Umfang verstehe.

    Was Du leistest ist großartig. Für Merle ist deine Großartigkeit Normalzustand, sie kennt es nicht anders. Ich hatte beim Lesen den Eindruck Du denkst, dass ein Nachlassen oder nur eine kurze Abschwächung deiner Großartigkeit bei Merle ein schreckliches Leid oder gar einen bleibenden Schaden verursacht. So denke ich das jedoch nicht. Das was Du ihr in den letzten 2 Jahren gegeben hast, dieses unglaublich kostbare Geschenk kann ihr keiner mehr so leicht wegnehmen: das Urvertrauen und die Selbstwirksamkeitserfahrung, die Sicherheit und das Selbstbewusstsein dass sie immer bekommt was sie braucht oder zu brauchen glaubt wenn sie es nur vehement und ausdauernd einfordert. Du kannst es ihr nicht mehr so ohne weiteres wegnehmen… es ist tief in ihr verankert.

    Die meisten der Werke die Du gelesen hast habe ich auch gelesen und eine der wichtigsten Botschaften die ich aus dem „gewünschtesten Wunschkind“ mitgenommen habe ist folgende: es ist nicht meine Aufgabe Wut-Trotz-Heul oder Schreianfälle zu vermeiden indem ich Grenzerfahrungen meines Kindes umgehe! Natürlich ist es angenehmer das zu tun, aber das ist nicht die Arena in der Entwicklung stattfindet. Der Sinn der Trotzphase ist es dass das Kind Frustrationstoleranz entwickelt. Dafür braucht es Frustration und viel Unterstützung dabei. Nun, im Kleingedruckten steht leider dass sich in dieser Zeit vor allem die Frustrationstoleranz der Eltern weiterentwickelt ;-). Einen Schreianfall liebevoll zu begleiten und zu trösten ist anspruchsvoller als ihn zu vermeiden. Ich habe das allerdings so verstanden, dass Kinder diese Frustrationserfahrungen brauchen und dass ich diese Trigger nicht meiden sollte. Und das hat mich fertig gemacht. Und frustriert. Auch DAS noch! Ist es nicht schon anstrengend genug wenn mal zu Abwechslung alles glatt läuft?!?

    Nun steckst Du wenn ich das richtig verstehe in einer extremen Zwickmühle: Merles Grenzerfahrung und Frustrationsquelle ist momentan noch genau das was Du zum Trösten und Unterstützen gibst: Nähe. Wie kann man Nähe entwöhnen und dabei gleichzeitig mit Nähe unterstützen?

    Was würde jedoch passieren wenn Du plötzlich krank oder verletzt bist und für ein paar Tage ins Krankenhaus musst, womöglich isoliert, dass sie dich nicht besuchen kann? Was würde passieren wenn Du für ein paar Stunden weg bist weil Du in einem defekten Fahrstuhl oder im Stau steckst? Dann muss es auch ohne Dich gehen, es muss einfach und es würde. Merle würde fallen, aber sie würde weich fallen in Benedicts Arme. Und es würde die Erfahrung folgen dass es geht. Und dass Mama wiederkommt. Wir mussten diese Erfahrung machen… wir haben gezockt… wir mussten einfach… und haben gewonnen und unsere Tochter hat uns so sehr überrascht. Zu einer Zeit als ich nicht einmal ins Nebenzimmer gehen durfte ohne Protest fand sie es entgegen aller Erwartungen völlig ok einige tage lang mit Papa und z.T. auch Oma und Tante allein zu sein. Aber: Papa musste mehr dafür leisten. Die Dauerbespaßung durch ihn durfte keine Sekunde abreißen und das fehlende Einfach-Dasein der Mama zu kompensieren. Er war so erschöpft! Aber dabei so glücklich und stolz.
    Das ist nun lange her, wir hatten viele Rückschritte, Tage in denen ich nicht ins Nebenzimmer gehen durfte, in denen ich sie stundenlang nicht absetzen durfte.
    Ein roter Faden zog sich immer durch: aus den Augen aus dem Sinn! Wenn ich das Haus verlassen hatte und sie wusste dass ich nicht zu Hause bin war das völlig ok. Wenn ich zu Hause war aber mich dort zurückziehen wollte (z.B. Schlafen nach Nachtdienst) dann ging es nicht.

    Renz-Polster mag recht haben, das Temperament eines Kindes wird sich nicht ändern, soll es auch nicht. Aber die Grenzen werden weiter. Schritt für Schritt. Früh genug kommt der Tag an dem Merle sagen wird: „Mama, geh weg.“ War bei uns soweit als mein Mädchen ca 25 Monate alt war und alleine kacka machen wollte, sie hat sogar die Tür hinter sich zugemacht und ich durfte für 15 Minuten nicht ins Zimmer kommen. Auch Phasen in denen sie nicht angefasst werden wollte aber dabei völlig entspannt war kamen rasch hinzu… und damit auch beginnend das Verständnis für meine Allein-Sachen.

    Du kennst Dich und deine Tochter am besten: Wenn einer das Gefühl dafür hat wie man am besten schonend und gefühlvoll ihre Grenzen ausreizen kann, dann Du. Mach so weiter. Sei weiterhin mutig. Sei weiterhin selbstbewusst, so wie Merle. Fordere sie heraus. Ziehe dich zurück. Und komme wieder um zu trösten und zu versichern. Immer wieder. Hab Geduld. Stecke die Rückschläge die unweigerlich immer wieder kommen ein. Vertrau auf eines: auch Merle ist hochsensibel! Sie wird früh genug entdecken was für eine Wohltat es manchmal ist allein zu sein oder nicht angefasst zu werden. Und sie wird es mit der Leidenschaft einfordern die Du von ihr gewöhnt bist. Und damit wird auch mehr Verständnis für Dich kommen. Und das wird höchstwahrscheinlich nicht erst mit der Einschulung passieren sondern vielleicht sogar noch in den nächsten paar Wochen…

    Also dein Vorschlag Wellnesshotel? Wieso nicht? Du kannst die Dauer des Aufenthaltes und die Entfernung bestimmen… und jederzeit abbrechen. Wage es. Tu es für Euch. Denn auch Dein Temperament wird sich nicht ändern: Erstmal offenen Auges den Akku bis zum letzten Rest ausleeren und mehr Energie herzugeben als Du für dich selbst noch übrig hast aber dann zu regenerieren wie der Phönix aus der Asche. Wirklich bewundernswert.

    Rock on.

    1. Liebe Carina,
      jetzt ist der Blog wieder da und ich habe sogar Emailzeit. Drum erst jetzt mein Antwort.
      Ja, ja, und ja! Ich könnte genau so alles unterschreiben, was du sagst.
      Besonder hervorheben mag ich:
      Ja, sie ist auch eine HSP. das bedeutet jetzt noch, dass wir als Eltern wahnsinnig viel unseres Rückzugbedürfnisses aufgeben müssen, damit ihres nach Nähe erfüllt werden kann, aber es ist eine aufs gemeinsame Leben gesehen kurzfristige Investition (im Moment aber durchaus lang), behalten wir doch im Kopf, dass sie sich höchstwahrscheinlich auch zu jemandem entwicklen wird, der diesen Rückzug ebenfalls braucht. Das wird uns als Familie wieder sehr harmonisieren. Glaube ich. 😉
      Aus den Augen aus dem Sinn:
      Absolut. Wenn ich weggehen kann, also weg, weg, dann läuft das. Keine Frage. Wenn ich aber auch zu Hause bin, im Nebenraum o.ä, dann gibt es noch oft keine Ruhe, bis ich da bin. Wobei sich das gerade entspannt (25. Lebensmonat). Das mit dem Schaden zufügen oder nicht, das finde ich ist sehr diffizil. Ich merke deutlich den Unterscheid zwischen Verzweiflung, die dringend Begleitung braucht und bei der sie sehr empfindlich und lange nachwirkend reagiert, wenn ich dann mal meine Wut doch ventiliere im Vergleich zu „normalem Wüten“ der Autonimiephase oder einfach Übermüdungsvertonung. Wir hatten einfach sehr lange die Phasen der Verzweiflung und die sind absolut nicht aufzufangen, wenn wir da nicht 100% geben. Das ist dann eher so, dass wir uns damit selbst ein Bein stellen, weil es dann nach einem Ausrutscher noch länger mit dem Runterpegeln dauert und es wie gesagt nachwirkt. Deshalb bin ich bei dem üblichen Satz von „Kinder sind robust“ eher vorsichtig. ja, das sind sie. Aber nicht in allen Situationen. und das finde ich sehr wichtig auch im Blick zu behalten, gerade weil es auch teil der erwachsenen Hochsensibilität ist, der ja oft genug die Aussage begegnet: Das ist ja jetzt wirklich nicht so schlimm, du übertreibst, das kann doch nicht so ein Weltuntergang sein. Doch. Kann es. Leid ist immer subjektiv. Aber wie gesagt merkt man da den Unterscheid sehr deutlich zwischen „da müssen wir jetzt alle irgendwie durch, schön ist das nicht, aber ist jetzt so“ und „Alarm! Sämtlicher Fokus und Energie auf die Stressregulation!“

      Rock on! Oh ja. Sowas von!
      Seit ein paar Tagen habe ich hier wieder ein neues Kind. Wie üblich nach einem echt ekligen Schub vorher. Aber yay. Wieder ein Level geschafft.
      Liebe Grüße, Heike

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